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Die mitteltönige Stimmung

In der Renaissance ging man mehr und mehr zur mitteltönigen Stimmung über. Hauptgrund war die unreine große Terz im pythagoreischen System und die beschränkten Modulationsmöglichkeiten. Dafür nimmt man eine minime Unreinheit der Quinten in Kauf. Das mag für die damalige Zeit revolutionär gewesen sein, galt doch die Quinte wie die Oktave seit Pythagoras fast als 'heilig'.

Vorgehen: 11 Quinten, beginnend mit e♭, werden um 1/4 des syntonischen Kommas verkleinert. Dadurch wird z.Bsp der Ton A  zur reinen Terz von F. Die Ganztonschritte werden gemittelt zwischen großem und kleinem Ganzton, daher der Name 'mitteltönig'. Allerdings entsteht dadurch zwischen G♯ und E♭ eine Wolfsquinte, die sogar noch übler ist als die der reinen Stimmung. Wolfsquinte, weil sie angeblich heult wie die Wölfe.

In der folgenden Animation (Endlosschleife) siehst du den Ablauf schematisch. Ich habe die Bewegung und die Abstände stark übertrieben, damit du besser siehst, was passiert.
In Wirklichkeit wären die Bewegungen kaum sichtbar. Diese 8 Terzen werden nun rein:

E♭-G, B-D, F-A, C-E, G-H, D-F♯, A-C♯,  E-G♯
in der Animation habe ich nur die Terz F-A eingezeichnet.

Animation mitteltönig

Die übrigen 4 großen Terzen (eigentlich verminderte Quarten):
H-E♭, F♯-B, C♯-F, G♯-C
sind stark verstimmt, und deshalb unbrauchbar.

Gelegentlich wurden auf dem Cembalo zusätzliche Tasten für die problematischen Töne eingebaut.

Cembalo mit Zusatztasten

Der Wolfston kann theoretisch auch auf eine andere Stelle im Quintenzirkel gelegt werden, aber die Probleme bleiben die gleichen.

In der folgenden Animation kannst du die mitteltönige Stimmung selbst ausprobieren. Vorteilhaft ist dabei ein Touch-Screen, damit du auch Akkorde spielen kannst, denn nur dann werden die Eigenarten der mitteltönigen Stimmung deutlich. Teste die Wolfsquinte G♯-D♯ !

Die Erfindung der mitteltönigen Stimmung muss ein Geniestreich gewesen sein. Plötzlich waren Modulationen in sehr viele Tonarten möglich, und 8 grosse Terzen waren nun rein. Auch die kleinen Terzen waren ziemlich gut. Dass einige Tonarten, nämlich jene, in denen die Wolfsquinte vorkam, unbrauchbar waren, war für die damalige Zeit verkraftbar. So hat sich diese Stimmung auch mehr als 300 Jahre gehalten.

Es gab noch andere Varianten der mitteltönige Stimmung, die die Quinten reiner ließen, aber immer auf Kosten der reinen großen Terzen. Dies führte schließlich zur wohltemperierten und zur gleichstufigen Stimmung.