So gut die mitteltönige Stimmung auch war für die meisten Tonarten, hatte sie eben doch den Nachteil der Wolfsquinte, die ein Spiel in einigen Tonarten verunmöglichte. Da aber die Komponisten (und wenige Komponistinnen) Ende 17. JH. immer kunstvollere Modulationen schufen, etablierten sich immer mehr wohltemperierte Stimmungen. Der Begriff wohltemperiert meint eigentlich nur, dass alle Tonarten spielbar sind, und die Wolfsquinte auf ein erträgliches Maß reduziert ist. Deshalb gibt es mehrere wohltemperierte Stimmungen (Werckmeister, Kirnberger, Vallotti u. a.). Durchgesetzt hat sich aber die gleichstufige Stimmung. Es dauerte aber ziemlich lange, bis diese überall akzeptiert wurde. (Bis vor wenigen Jahren wurden die Begriffe wohltemperiert und gleichstufig manchmal gleichgesetzt).
Bei der gleichstufigen Stimmung wird die Oktave in 12 gleiche Halbtonschritte unterteilt. Diese werden weiter in 100 Cent-schritte unterteilt, sodass die Oktave 1200 Cent enthält.
Endlich konnte man nun nach Lust und Laune durch alle Tonarten umherschweifen.
Vieles wurde vereinfacht. Alle Tonarten sind nun gleich, das Stimmen ist einfacher. Unten siehst du, wie die groß die Intervalle nun sind, im Vergleich zur reinen Stimmung:
Frequenz- Verhältnis |
Cent reine Stimm. | Cent gleichstufig | Abweichung von reiner Stimmung in Cent |
|
Prim | 1:1 | 0 | 0 | 0 |
kleine Sekunde | 15:16 | 111.73 | 100 | -11.73 |
große Sekunde | 10:9 8:9 |
182.40 203.91 |
200 200 |
+17.60 -3.91 |
kleine Terz | 6:5 | 315.64 | 300 | -15.64 |
große Terz | 5:4 | 386.31 | 400 | +13.69 |
Quart | 4:3 | 498.04 | 500 | +1.96 |
Tritonus | 45:32 | 590.22 | 600 | +19.78 |
Quint | 3:2 | 701.96 | 700 | -1.96 |
kleine Sexte | 8:5 | 813.69 | 800 | -13.69 |
große Sexte | 5:3 | 884.36 | 900 | +15.64 |
kleine Sept | 16:9 18:10 |
996.09 1017.60 |
1000 | +3.91 -17.60 |
große Sept | 15:8 | 1088.27 | 1100 | -11.63 |
Oktave | 2:1 | 1200 | 1200 | 0 |
Die größten Abweichungen zur reinen Stimmung haben zwar die große Sekunde und der Tritonus, doch die fallen nicht so auf, da sie ja ohnehin schon dissonant waren und weniger oft in Akkorden vorkommen.
Viel mehr ins Gewicht fallen die Terzen (und die komplementären Sexten), mit etwa +14 cent für die große, und -16 für die kleine Terz.
Interessant ist, wie klein der Unterschied zwischen Dur- und Mollterz in der reinen Stimmung ist: nur etwa 71 cent, gleichstufig sind es 100 cent.
Obwohl die kleine Terz mehr von der reinen Stimmung abweicht, fällt die große Terz mehr auf. Ich vermute, das liegt am 5. Teilton, - eine reine Terz - , mit dem dann der Grundton zusammenprallt. Jedenfalls tönt eine zu hoch intonierte große Terz immer übel.
gr. Terz gleichstufig | gr. Terz rein | gr. Terz verstimmt |
400 cent | 386 cent | 410 cent |
Hier folgt eine Modulation von C nach Des-Dur aus Arnold Schönbergs 'Harmonielehre'. So etwas wäre nicht möglich in der mitteltönigen Stimmung:
Die gleichstufige Stimmung ist heute Standard. Nur wenige historische Aufführungen werden in alten Stimmungen gespielt. Es wäre interessant zu wissen, was mittelalterliche Menschen zu der gleichstufigen Stimmung sagen würden. Wir wissen es nicht.
Theoretisch ist es heute möglich, mit elektronischen Mitteln jede erdenkliche Stimmung zu erzeugen, oder bestehende Aufnahmen zu manipulieren.
Hier folgt noch eine Zusammenfassung der Vor- und Nachteile der Stimmungen:
Vorteil | Nachteil | |
pythagoreisch | alle Quinten rein, leicht stimmbar | Wolfsquinte, grosse Terzen übel |
rein | fast nur reine Intervalle in 1 Tonart | nur eine Tonart rein, 2 verschiedene Ganztöne |
mitteltönig | reine große Terzen und fast reine kleine Terzen in den gängigen Tonarten. | Quinten etwas verstimmt, Tonarten mit vielen Vorzeichen unrein. |
gleichstufig | alle Tonarten gleichwertig | Quinten minim verstimmt, Terzen leicht verstimmt |