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Stimmungen

Die Suche nach der idealen Stimmung ist uralt. Immer wieder haben Leute geglaubt, die endgültige, perfekte Stimmung gefunden zu haben. Heute wissen wir, dass es die ideale Stimmung nicht gibt, es kommt immer auf die Gewichtung verschiedener Faktoren an. Angestrebt werden immer möglichst konsonante Schwingungsverhältnisse, die aber nie für alle Intervalle erreicht werden können. Die Stimmungen beziehen sich vor allem auf Tasteninstrumente und andere Instrumente mit fixen Tönen. Gesang und viele Instrumente können sich theoretisch anpassen. Doch wegen der dominanten Stellung der Tasteninstrumente richtet sich meist alles nach ihnen. Grundsätzlich rein sollte in allen Systemen die Oktave sein, daran wird nicht gerüttelt, aber siehe →Inharmonizität und Oktav-Spreizung.

Die pythagoreische Stimmung

Die pythagoreische Stimmung ist wohl die ältesten Stimmungsart der europäischen Musik und wurde hauptsächlich in der Antike und im Mittelalter verwendet, wobei wir über die antike Musik kaum etwas wissen. Sie basiert auf reinen Quinten, deren Frequenzverhältnis 3:2 beträgt. Die Stimmung legt ihren Schwerpunkt auf die Reinheit von Quint- und Quartklängen, was jedoch zu unreinen Terzen und Sexten führt.

Terzklänge galten im frühen Mittelalter als dissonant, wobei wir das Huhn-Ei-Problem haben: wurde die pythagoräische Stimmug verwendet, weil Terzklänge selten verwendet wurden, oder wurden Terzklänge vermieden, weil die pythagoräische Stimmung unreine Terzen erzeugt? In unbetonten, kurzen Klängen waren aber Terzen und auch andere Dissonanzen durchaus üblich.

Pythagoräische Terz Reine Terz Gleichstufige Terz
a' a' a'
407.82 cent 386.31 cent 400 cent

Die Töne der c'-Dur-Tonleiter in Pythogoräischer Stimmung erhält man, indem man vom kleinen f aus in reinen Quinten aufwärts geht:

f - c' - g' - d'' - a'' - e''' - h'''

Diese 7 Töne werden dann in die eingestrichene (oder eine andere) Oktave transponiert:

pythagoräische Skala

Diese pythagoräische Skala hat also lauter reine Quinten, Quarten und Oktaven, doch die Terzen werden ziemlich unrein. Außerdem werden die beiden Halbtonschritte, genannt Limma, kleiner als in der gleichstufigen oder in der reinen Stimmung. Auf Tasteninstrumenten kann man damit nur in wenigen Tonarten spielen, was aber in der fraglichen Zeit ohnehin der Fall war. Und Instrumente lassen sich leicht stimmen, da alles auf Quinten aufgebaut ist.

Das Limma (oder Leimma), altgriechisch 'Überbleibsel', ist bei Euklid der Halbtonschritt der pythagoräischen Stimmung und beträgt 243⁄256 = 90,22 cent. Zum Vergleich:

.
Halbton Limma Halbton rein Halbton gleichstufig
  256 : 243 16 : 15 ca.1,06 : 1
(12. Wurzel aus 2)
  90,22 cent 111.73 cent 100 cent
e'
f '
 
329,6 Hz
347,23
329,6
351,57
329,6
349,2

Pyth. Skala Frequenz-Verhältnis zu nächstem Skala-Ton Frequenz-verhältnis zum Grundton Abweichung von gleichstufiger Stimmung (cent)
c  
8 : 9
 
Ganzton
1:1 0
d  
8 : 9
 
Ganzton
8 : 9 +3.91
e  
243 : 256

Limma
64 : 81 +7.82
f  
8 : 9
Ganzton  
3 : 4
-1.96
g  
8 : 9
 
Ganzton
2 : 3 +1.96
a  
8 : 9
Ganzton  
16 : 27
+5.87
h  
243 : 256
 
Limma
128 : 243 +9.78
c'  
  1 : 2 0

Höre das Lied von Adame de la Halle (13. J.H) (hier mit Computer erzeugt):

Pythagoräische Stimmung Reine St. Gleichstufige St.
     

Noten Adame

Vgl. Adam de la Halle youtube.com/watch?v=HFfhiTlQpFE