Klassische Gitarre, Entwicklung |
Jürg Hochweber | Gitarre spielen + lernen. Home |
"Discussion" entre les Carullistes et les Molinistes
Schlägerei um die „wahre“ Technik?Gitarristen
(und wohl auch Gitarristinnen) sind seit jeher ein streitlustiges
Völklein. Ob es nun um die „einzig wahre“
Anschlagtechnik (Fingerkuppen oder Fingernagel) geht, wie oben im
Bild, oder um die einzig wahre Stilrichtung, stets ist eine gehörige
Portion Fanatismus im Spiel, wenn in Gitarrenkreisen diskutiert wird.
Da geht es beispielsweise um die „Reinhaltung“ des
Flamenco, da wird die Nase gerümpft vor allem „elektronischen
Zeugs“, da werden die angeblich seichten Klassikstücken
von Carulli, Giuliani und Andern lächerlich gemacht. Bis vor
wenigen Jahren war auch der Graben zwischen sogenannt klassischen
GitarristInnenen, JazzgitarristInnen, PopgitarristInnen fast
unüberbrückbar. An den Konservatorien wurde ausschliesslich
klassische Gitarrentechnik gelehrt, alles andere wurde schlicht
ignoriert, und gewisse Professoren hätten Jazz und Pop am
liebsten in die Hölle verdammt. Andrerseits hielten es
JazzgitarristInnen nicht für nötig, sich mit den
ausgefeilten, klassischen Techniken und Tonbildungsmethoden zu
befassen, Notenlesen galt als spiessig und veraltet.
Dies
hat sich gottlob in allerjüngster Zeit stark geändert, und
heute sieht man ein, das alle Stilrichtungen ihren Wert haben und die
Durchmischung von verschiedenen Bereichen hat sich ungemein
befruchtend auf die Entwicklung der Gitarre ausgewirkt. Das Spielniveau hat
heute "schwindelerregende" Höhen erreicht, was vor 30 Jahren noch als unspielbar
galt, ist heute für professionelle GitarristInnen Standard. Gestritten
wird aber nach wie vor heftig.
Eine Darstellung ist insofern schwierig, weil gar nicht klar ist, ab wann ein Instrument als Gitarre bezeichnet werden darf. Ob jede Holzkiste mit einigen gespannten Drähten oder ob nur die genaue Form und Besaitung der modernen Konzertgitarre diesen Namen verdient, ist umstritten. Auch der Name „Gitarre“selbst ist nicht aufschlussreich: So ist eine vier- oder fünf-saitige sogenannte Barockgitarre trotz ihres Namens wohl weiter entfernt vom heutigen Gitarrenverständnis als eine 6saitige Vihuela der Renaissance, und der berühmte Mauro Giuliani wurde in Wien Anfangs 19. Jahrhundert als „Zitherspieler“ bezeichnet, obwohl sein Instrument fast identisch mit einer modernen Gitarre war.
Die
folgende Übersicht meint also alle gitarrenähnlichen
Instrumente:
Um 1400 v. Chr. | Relief von Höyük (Kleinasien). Älteste Darstellung eines gitarrenähnlichen Instrumentes |
Griechenland | Kythara und Lyra, Phorminx, gezupfte Saiteninstrumente |
Mittelalter | verschiedene Lauteninstrumente in verschiedenen Formen und Stimmungen, von Arabien über Spanien nach Europa verbreitet. |
ab 1500 | erste überlieferte Noten, (Tabulaturen) für Renaissance-Laute und Vihuela (ähnlich gestimmt wie die heutige Gitarre) |
16. / 17. J. H. | 4 chörige Gitarre (ein Chor meint ein Saitenpaar, die im Einklang oder in der Oktave gestimmt sind und so nahe beieinander liegen, dass sie immer zusammen gezupft werden. |
ab 1600 | 5- chörige Barockgitarre |
1700-1800 | Barocklaute, neue Stimmung (D-Moll-Stimmung), sie verdrängte weitgehend die Stimmung der Renaissancelaute. Saitenzahl (bez. Chorzahl) stieg ständig bis auf 14 Chöre. |
ab 1800 | 6 saitige Gitarre, zwar noch kleiner und leiser, grundsätzlich aber gleich wie eine moderne Konzertgitarre. Die Laute verschwindet weitgehend. |
ab 1900 | Gitarren wurden etwas grösser, und die Saitenspannung wurde erhöht. Nylonsaiten ersetzen allmählich die ursprünglichen Darmsaiten. Parallel dazu wird auch die sogenannte Westerngitarre entwickelt, die einen etwas längeren und schmaleren Hals hat und mit Stahlsaiten ausgerüstet ist. |
ab 1930 | Erste Elektrogitarren. Zum Durchbruch verhalf der Jazzgitarrist Charlie Christian. |
ab 1970 | Es werden immer neue eletronische Effektgeräte eingesetzt (Verzerrer, WahWah-Pedal etc.) In jüngster Zeit werden die Klänge auch immer mehr softwaremässig modifiziert, Programme sind in der Lage, jeden erdenklichen Klangeffekt zu erzeugen, und gewisse Gitarren zu simulieren. Durch neue Bauweisen werden auch die klassischen Gitarren im Ton lauter und voller, manchmal auch mit Tonabnehmern ausgerüstet. |
ab 1990 | Da das Einstiegsalter ins Gitarrenspiel immer mehr sinkt (schon ab 5 Jahren) werden von vielen Herstellern auch kleine Modelle mit der originalen Stimmung angeboten. Auch die Standardmensurlänge tendiert Richtung 63cm (früher 65cm). |
20 J.H | Neben der traditionellen klassischen Gitarre sind die verschiedensten Varianten in Gebrauch: die Westerngitarre mit schmalem Griffbrett und Stahlsaiten und verschiedene Sonderformen wie Oktavgitarre, Terzgitarre,10saitige Gitarre, doppelhalsige Gitarren etc. |
Gitarren- und Lautenmusik:Um 1500 bis 1580 erschienen "plötzlich" eine große Zahl gedruckter Bücher mit Tabulaturen für Laute solo (und andere, ähnliche Instrumente). Die hohe Qualität und ausgereifte Darstellung lässt aber schließen, dass schon ältere, nicht überlieferte Werke da sein mussten. |
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Renaissance. | Spanien | Luys Milan (ca.1500 - 1561) schrieb 'El Maestro', erschienen 1535, mit großer Sorgfalt erstellt, heute noch viel gespielt. |
Italien | Francesco da Milano (*1497 in Monza; † 15. April 1543 in Mailand), genannt 'il divino', der Göttliche. Zahlreiche Tabulaturen. | |
Deutschland | Hans Judenkönig, 1532 erschien sein Buch 'Ain schone kunstliche Underweisung in disem Büechlein, leychtlich zu begreyffen den rechten Grund zu lernen auff der Lautten und Geygen'. | |
Frankreich | Pierre Attaignant (* um 1494; † um 1552), war Musiker, Drucker, Verleger. Wieviel in seinen Büchern von im selber stammt, ist unklar. | |
England | John Dowland (1563 - 1626), wird auch dem Barock zugerechnet. Seien Lautenfantasien und Lieder sind schon von hoher Komplexität und gehören heute zum Standardrepertoir. | |
Barock | Deutschland | Silvius Leopold Weiss (* 12. Oktober 1687 bei Breslau; † 16.
Oktober 1750 Dresden), viel gereister Lautenist und Komponist. Schrieb
zahlreiche Suiten. Johann S. Bach (1685 - 1750). Obwohl nur wenige seiner Werke eindeutig für Laute geschrieben sind, gehören einige seiner Werke zu den bekanntesten Lautenstücken. |
Klassik | Italien | Ferdinando Carulli, 1770- 1841. Wird heute besonders für seine pädagogischen Werke geschätzt, da er es verstand, einfache Stücke mit hohem Wirkungsgrad zu schreiben. |
Spanien | Fernando Sor, (1778 - 1839). In ganz Europa herumgereist. Bis heute einer der meist gespielten Gitarrenkomponisten. | |
Italien | Mauro Giuliani (1781- 1829) Gitarrenvirtuose und Komponist. Bekannt sind auch seine Kammermusik und seine Konzerte für Gitarre und Orchester. Gilt als der 'Mozart der Gitarre'. | |
Romantik | Eher wenig Gitarrenmusik. Johann Kaspar Mertz (* 17. August 1806 in Pressburg (heute Bratislava); † 14. Oktober 1856 in Wien. Es gibt aber viele Transkriptionen von Klavierwerken: Isaac Albéniz (1860 -1909), Enrique Granados(1867 - 1916) |
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ab 1950 | Gitarre wurde wieder populär. Joaquín Rodrigo (*1901, Valencia; † 6. Juli 1999 in Madrid). Komponierte das berühmte 'Concierto de Aranjuez) Leo Brower, geb. 1939, kubanischer Komponist, Gitarrist, und Dirigent. Baden Powell de Aquino (1937–2000), brasilianischer Gitarrist-Komponist. Carlo Domeniconi, geb. 20. Februar 1947 und viele, viele andere! |