Eine Tabulatur (abgekürzt Tab) ist eine bildhafte Notenschrift für Gitarre und andere Saiteninstrumente. In den folgenden Beispielen steht oben die normale Notenschrift und unten das Gleiche in Tabulatur.
Also, die Tabulaturen werden von links nach rechts gelesen und gespielt. Die waagrechten Linien der Tabulatur stellen die 6 Saiten der Gitarre dar, wobei die oberste Linie die höchstklingende (dünnste) Saite meint und die unterste Linie die tiefstklingende (dickste) Saite. Die Zahlen geben den Bund an, wo du die Saiten drücken sollst.
eine 0 heißt: diese Saite spielst du leer (nichts greifen).
eine 1 heißt: du drückst auf dem 1. Bund.
eine 5 heißt: du drückst auf dem 5. Bund.
usw. Es kommen also Zahlen zwischen 0 und etwa 22 vor.
Töne, die gleichzeitig klingen sollen, werden untereinander notiert.
Die Notenlängen werden wie in der gewöhnlichen Notenschrift bezeichnet. Es spielt dabei keine Rolle, ob die Notenhälse nach unten oder oben gehen.
Obiges Beispiel könnte auch so aussehen:
Für Halbe- und Ganze Noten hat sich keine allgemeingültige Regel etabliert.
Manchmal werden Halbe mit 2 Notenhälsen geschrieben, Ganze mit deren 4:
Wenn, wie in den obigen Beispielen, auch die gewöhnliche Notenschrift über
den Tabulaturen steht, werden die Notenlängen in der Tabulatur oft auch
weggelassen, das spart Platz. Du musst dich dann an den gewöhnlichen Noten
orientieren:
Manchmal wird die Notendauer auch durch Buchstaben über der Zahl angegeben:
w = Ganze (Whole note)
h = Halbe (half note)
q = Viertel (quarter note)
e = Achtel (eighth note)
s = Sechzehntel (sixteenth)
Folgen mehrere gleiche Werte hintereinander, wird oft nur die erste Note bezeichnet:
Wenn nicht die Standard-Gitarrenstimmung verwendet wird, werden links die
Töne der leeren Saiten angegeben:
Aus den Anfangszeiten des Internets stammen die sogenannten ASCII Tabs:
Diese kommen ohne Notenlänge (Rhythmus), oft sogar ohne Taktstriche daher. Sie
sind nur brauchbar, wenn du das Stück schon gut im Gehör hast. Erfahrungsgemäss
ist aber oft gerade der Rhythmus und die Gliederung in Takte am schwierigsten
herauszuhören. Deshalb taugen solche Tabs nicht viel.
Es gibt noch eine Reihe von Sonderzeichen:
/ | slide | nach oben gleiten, auch glissando genannt. |
\ | nach unten gleiten | |
h | hammer on | die 2. Note wird nicht mehr gezupft, der Finger der linken Hand erzeugt den Ton durch energisches Aufsetzen (Hämmern) auf die Saite |
p | pull off | wegziehen |
b | bend | die Saite dehnen (meist um einen Halbton) |
r | release bend | die Dehnung loslassen |
t | tap | der Ton wird mit der rechten Hand durch tappen erzeugt |
x | gedämpfter, perkussiver Ton. Die Saite wird mit der linken Hand nur berührt, die rechte Hand zupft normal | |
vib | vibrato |
abwärts schlagen. aufwärts schlagen.
Alle Symbole der Standard-Notenschrift wie Tempobezeichnungen, Wiederholungszeichen, Dynamik etc. können auch in der Tabulatur stehen, werden aber sparsam verwendet.
Die Tabulaturschrift ist nicht streng reglementiert. Es gibt viele individuelle Darstellungsweisen.
Mit welchem Finger gegriffen und gezupft werden soll, wird meist nicht speziell angegeben. Ebensowenig ist festgelegt, ob und wie lange ein Ton (besonders die leeren Saiten) in die nächsten Töne hineinklingen soll (im Fachjargon: der polyphone Verlauf der Stimmen).
Vorteile | Nachteile | |
Tabulatur | Leicht zu lesen. Leicht zu schreiben. Gitarre kann umgestimmt werden, ohne das alles umgedacht werden muss. Sehr logisch aufgebaut. Kann sehr platzsparend notiert werden. Ähnliche Instrumente wie Ukulele oder Bass können nach dem selben Prinzip gespielt werden. |
"Proprietäres Format", das heißt nur für
Zupfinstrumente geeignet, für alle anderen Instrumente unbrauchbar. Stimmenverlauf ist nicht offensichtlich. Tonarten und Tonartwechsel sind nicht gut ersichtlich. Halbe Noten schwer darstellbar. Im Profibereich noch schlecht akzeptiert ("für musikalische Analphabeten"). |
Standard-Notenschrift | Universelle Sprache, für alle Instrumente. Tonarten und Tonartwechsel sind für geübte Leute gut erfassbar. Polyphoner Verlauf der Stimmen deutlich erkenntlich. Lässt den InterpretInnen bei verschiedenen Greifmöglichkeiten Freiheit. |
Relativ schwierig, auf die Gitarre zu übertragen,
besonders die Töne in den hohen Lagen. Es geht nicht direkt hervor, auf welcher Saite ein Ton gespielt wird, die optimale Greifmöglichkeit muss selber erarbeitet werden. Bei Nicht-Standard-Stimmung muss alles umgedacht werden. |
Entgegen der gängigen Meinung sind Tabulaturen für Saiteninstrumente
wesentlich älter als Noten.
Die ersten gedruckten Tabulaturen entstanden schon um 1500. Es gab allerdings
verschiedene Systeme. Erst um 1800 wurden für gitarrenähnliche Instrumente
Standardnoten verwendet. In der Folge wurden Tabulaturen fast verdrängt. Erst in
den letzten Jahrzehnten wurden sie wieder populär.
Heute existieren beide Systeme gleichwertig.
Französisches System:
Anstatt Zahlen werden Buchstaben geschrieben.
a = 0
b = 1
c = 2 etc.
Franz. Tabulaturen wurden auch in England benutzt.
Beispiel für 5-saitiges Instrument aus dem 17. Jahrhundert:
Italienisches System:
Die Zahlen werden wie heute verwendet, aber die oberste Linie stellt die tiefstklingende Saite dar, die ja örtlich betrachtet auch zuoberst ist. Beispiel aus dem Jahre 1507:
Spanisches System:
Gleich wie das Italienische, aber die oberste Linie bezeichnet (meist) die höchstklingende Saite, also wie heute.
Deutsches System:
Dies ist das archaischste System, wurde offenbar für ein 5-saitiges Instrument entwickelt. Hier ein Beispiel von Hans Judenkünig (1450 - 1526):
die Töne werden quer zu den Saiten, den Bünden entlang nummeriert bzw. alphabetisch bezeichnet, wie unten dargestellt. Die Buchstaben j, u, w kommen nicht vor. Nach dem z folgt noch 7 und 9 für die lat. Abkürzungen "et" und "con". Als später die tiefe 6. Saite dazukam, wurde deren Töne mit Großbuchstaben bezeichnet. Vom 6. Bund an werden die Buchstaben verdoppelt, also (aa bb cc dd ..
)
Es gibt diverse Varianten davon. Vorteilhaft ist, das damit sehr platzsparend notiert werden konnte, Notenlinien sind nicht nötig. Aber im Vergleich zu den klaren, rationalen italienischen Tabulaturen wirkt das deutsche System ziemlich wirr, und es hat sich auch nicht lange gehalten.
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Wie soll man also Gitarre unterrichten?
Meine Meinung ist ungefähr Folgende: Für Kinder bis etwa 14 Jahre ist es in der
Regel kein Problem, Noten zu erlernen. Und da Noten eben weiterhin die
universelle Musik-Sprache sind, sollen Kinder das auch lernen. Für Erwachsene
kann das Notenlernen aber zur Qual werden. Hier bieten sich die Tabulaturen als
willkommene Alternative an. Das Beste ist natürlich, man beherrscht Beides.
Jürg Hochweber
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