Der Muskeltest in der Kinesiologie
Vorgehen nach Dr. J. F. Thie:
b) Am häufigsten wird der Deltoideus anterior getestet. Die getestete
Person streckt die Arme nach vorn und soll beabsichtigen, dem Druck
Testperson ohne Kraftanstrengung standzuhalten.
c) neutral drücken, der Muskel sollte reflexartig sperren (sonst nimm einen andern).
d) Muskel leicht zwicken, dann testen. Muskel sollte nachgeben (abschalten).
e) Muskel leicht dehnen, dann testen. Muskel sollte wieder sperren.
wenn der Muskel nicht so reagiert, dann Massieren der Punkte (Ni27) unter dem Schlüsselbein, rechts und links vom Brustbein, andere Hand auf Bauchnabel.
Dann nochmals testen.
f) ja sagen, Muskel sollte halten.
nein sagen, Muskel sollte nachgeben.
wenn Muskel anders reagiert, dann je einen Punkt oberhalb der Lippe und unterhalb der Lippe massieren, andere Hand auf Bauchnabel.
g) Aufwind mit der Hand auf Körpervorderseite, Muskel sollte halten.
Abwind, Muskel sollte nachgeben.
Aufwind, Muskel sollte wieder halten.
Wenn der Muskel anders reagiert, eine Hand aufs Steissbein, andere Hand auf
Bauchnabel. Oder sog. Cooks-übung .
Voraussetzungen für gute Resultate beim Muskeltest:
Feines Gespür
Klarheit der Absicht
Klarheit des Konzepts
Neutrale Erwartungen
Keine Beeinflussung
Eigene Ziele im Hintergrund
Obwohl solche und ähnliche Tests schon von Abertausenden praktiziert
werden, sind sie immer noch
ein bisschen geheimnisumwittert und löst bei vielen Leuten Erstaunen
aus. Manche reagieren auch eher misstrauisch bis skeptisch, oder halten
das Ganze für Bluff. Tatsächlich ist es schwierig, nachvollziehen,
was genau passiert , vor allem, weil es sehr verschiedene Arten von Muskeltests
oder Kombinationen von Muskeltests gibt, mit verschiedenem Druck, verschiedenen
Absichten und in unterschiedlichen Zusammenhängen. Zunächst die
historischen Fakten: Zwar wird verschiedentlich berichtet, dass bei einigen
Völkern schon seit Urzeit ähnliche Verfahren benützt wurden,
doch es ist den Chiropraktikern um George Goodheart, Kendall, John Thie
und andern zu verdanken, dass diese Methoden in den letzten 40 Jahren erforscht
und bekannt gemacht wurden. Sehr wichtig ist, dass es bei den Muskeltests
nicht um die Kraft geht, sondern um die Fähigkeit des Muskels, unter
verschiedenen Umständen reflexartig zu sperren, oder eben auch nachgeben
zu können, je nach äusseren oder inneren Reizen, und was wichtig
ist, je nach dem Thema, auf das wir unsere Aufmerksamkeit richten. Ich sage hier der Konvention
entsprechend „testen", obwohl eigentlich „Muskel beobachten" besser wäre,
besonders da „Testen" für viele eher stressvoll tönt.
Ein Muskel, der
reflexartig sperren und auch nachgeben kann, wird uns Auskunft über
viele Fragen über den Körper und Geist geben, die uns normalerweise
nicht bewusst sind. Wie kommt das?
Einleuchtend ist
der sog. Spindelzellmechanismus. Ein Muskel, der im Muskelbauch entlang
den Fasern leicht gezwickt wird, gibt nach. Wenn er sanft ausgestrichen
wird, kann er wieder sperren (wir sagen auch, er schaltet ein). In den
Muskelbäuchen befinden sich Spindelzellen, die dem Hirn mitteilen,
wie lang oder kurz der Muskel gerade ist. Wenn wir nun z.Bsp. den Deltoideus
an der Schulter zwicken, melden die Spindelzelle, dass der Muskel verkürzt
wurde, was normalerweise bedeutet, dass der Arm hochgehoben wurde. Muskel
verkürzen ist ja in der Regel gekoppelt mit etwas bewegen. Da wir
jedoch nur gezwickt haben, ohne den Arm zu bewegen, und gleichzeitig andere
Zellen im Gelenk melden, dass die Armposition nicht geändert hat,
kommt es zu einer widersprüchlichen Meldung, zu einer Konfusion, und
das Hirn reagiert mit Abschalten.
Soweit ist die Sache
verständlich. Allerdings ist auch das nur ein Erklärungsmodell,
und erklärt z.B. nicht, warum der Muskel auch abschalten kann, wenn
wir den Muskeln nicht wirklich zwicken, sondern nur über der Haut
eine Zwickbewegung machen, ohne den Muskel zu berühren. oder, warum
der Muskel etwa beim Nein sagen oft ebenfalls abschaltet, und beim ja sagen
wieder einschaltet (sperrt). Wenn letzterer Reflex zutrifft, können
wir mit dem Muskel „sprechen", und er kann antworten.
Ein Muskel, der
im neutralen Zustand klar auf die genannten Reize antwortet, wird 'Indikator'
genannt, da er benützt werden kann, um stellvertretend für den
Körper mit dem Fragestellenden zu kommunizieren.
Bis zu einem gewissen
Grad können wir auch unsere eigenen Muskeln testen, die Resultate
sind aber sehr unsicher, und werden leicht unbewusst manipuliert, deshalb
ist die Arbeit mit einer zweiten Person vorzuziehen.
Was können
wir alles testen ? Welche Fragen soll ich dem Muskel stellen ? Diese Frage
hat die Gemüter von Anfang an bewegt, und die Meinungen gehen stark
auseinander.
Nun, fragen kannst
du immer, und der Muskel wird meist auch eine Antwort geben, doch was diese
Antwort bedeutet, und ob sie wirklich stimmt, kannst du schwer entscheiden.
Sicher kannst du nur Fragen stellen, die mit ja oder nein beantwortet werden
können.
Jedenfalls ist grosse
Vorsicht geboten, und Fragen über Krankheiten oder die Zukunft soll
man immer vermeiden.
Meiner Meinung nach,
sollten alle, die mit dem Muskeltest arbeiten, zuerst lange mit überprüfbaren
Fragen experimentieren, und nicht nur nach einem der gegebenen Systemen
(BrainGym, Touch for Health etc.), die gelernt werden, vorgehen. Nur so
kann die Sache wirklich verinnerlicht werden. Es ist wie mit andern Tätigkeiten,
du kannst noch so viele Bücher übers Holzspalten oder Klavierspielen
lesen, wenn du es nicht selbst ausprobierst und damit experimentierst,
wirst du nie wirklich auf den Grund kommen. Und nur so kannst du beurteilen,
was für dich vorteilhaft ist, und welche Bedeutung für dich die
Fachbegriffe haben.
Die verschiedenen
Systeme sind hingegen für den Anfang sehr nützlich, um unklare
Fragestellungen zu vermeiden. Denn was soll ein Muskel antworten, wenn
die Beteiligten nicht genau wissen, was ein ja oder ein nein bedeuten soll
? Zum Vergleich: Du gehst in ein Berg-Restaurant, und der Kellner fragt:
Wollen Sie Pudding? Was antwortest du? Es kommt offensichtlich darauf an,
was es sonst noch gibt und wie weit eventuell das nächste Restaurant
liegt. Vielleicht ist dir ja nicht gerade nach Pudding zumute, aber wenns
eben nichts anderes gibt, sagst du halt doch ja. So wird auch der Muskel
vielleicht 'ja' sagen, wenn du fragst, ob etwa die neurovaskulären
Massagepunkte gebraucht werden, wenn er weiss, dass es nichts anders gibt,
obwohl er in Wirklichkeit etwas anderes braucht. Besser als gar nichts!
wird er sich sagen.
Daher ist etwa das BrainGym System entwickelt worden. Paul Dennison stellt uns eine ziemlich
fest umrissene Palette von Muskelfragen und Übungen zur Verfügung,
und die Frage lauten meistens: ist diese oder jene Fähigkeit im hohen
Gang, das heisst automatisiert und vertraut, oder bedarf es noch der bewussten
Entscheidung. Es ist also wichtig, dass wir wissen, was wir beim Testen
eigentlich fragen (ob etwa die C-Dur-Tonleiter schon automatisch abläuft).
Ein weitverbreiteter
Irrtum ist nämlich, dass viele glauben, ein abgeschalteter Muskel
bedeute grundsätzlich etwas Negatives. Dann wird etwa der falsche
Schluss gezogen, dass gleichseitige (homolaterale) Bewegungen oder Turnübungen
„schädlich" seien, weil der Muskel darauf abschaltet, wenn wir nach
BrainGym testen. Dabei haben wir nur gefragt, ob gleichseitige oder gegenseitige
Bewegung vertrauter sind .
So einfach der Muskeltest
scheint, so kunstvoll ist es, ihn wirklich virtuos anzuwenden.
Jürg Hochweber
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